Die Bedeutung der Interoperabilität für das Internet der Dinge

Beitragsautor: Matthias Weiß, Juni 2018

Abstract

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Internet der Dinge und die damit verbundenen Technologien auf dem Vormarsch sind. Untereinander kommunizierende und „smarte“ Geräte sind für den durchschnittlichen Verbraucher zu einem erschwinglichen Preis im Handel erhältlich, während namhafte Industrievertreter auf bekannten Technikmessen ihre diesbezüglichen Zukunftskonzepte vorstellen. Lange schon ist absehbar, dass das Internet der Dinge in jedem Lebensbereich (inklusive sicherheitskritischer Bereiche wie der Medizintechnik) Einzug halten wird. Neue und hierauf spezialisierte Industriezweige haben sich bereits gebildet.

Diese neuen Umstände erfordern jedoch auch neue Unternehmensstrategien. Bei deren Findung spielt für die beteiligten Unternehmen die sogenannte Interoperabilität meist eine zentrale Rolle. Im Folgenden wird daher erläutert, warum die Interoperabilität durch das Internet der Dinge an Bedeutung gewinnt. Hierzu wird zunächst der Begriff vollständig definiert und abgegrenzt, anhand dessen werden anschließend die Vorteile beleuchtet, die sich bei der Nutzung von interoperabler Technik im Internet der Dinge ergeben.

Der Begriff Interoperabilität

Definition

Aufgrund der breiten und teilweise inflationären Anwendung existieren vielerlei Variationen der Interoperabilitäts-Definition. Der Duden beschreibt Interoperabilität als die „Fähigkeit unterschiedlicher Systeme, möglichst nahtlos zusammenzuarbeiten“. [Dude18] Dies spiegelt sich bei der Verwendung des Begriffs im Kontext des Internets der Dinge wider. Dort wird er meist mit der Produkteigenschaft gleichgesetzt, dass Geräte und Dienste eigenständig miteinander kommunizieren können, unabhängig von Hersteller, Betriebssystem, Hierarchie oder Topologie. [MSH17] Hieraus geht auch hervor, dass die Kommunikation der Geräte und Dienste untereinander von keinem Akteur abhängig sein darf.

Oft wird diese allgemeine Beschreibung in weitere Formen unterteilt, die den Datenaustausch genauer spezifizieren. So beschreibt semantische Interoperabilität beispielsweise die Fähigkeit eines Geräts oder Systems, die ausgetauschten Informationen auch direkt sinnvoll interpretieren zu können und maschinenlesbar anzubieten. [MSH17]

Abgrenzung

Ob bei einem Geräte- oder Systemverbund von Interoperabilität gesprochen werden kann, hängt stark davon ab, ob zur Kommunikation offene Standards verwendet werden. Abbildung 1 veranschaulicht die unterschiedlichen Ausprägungen eines solchen Verbunds und die damit verwobenen Begrifflichkeiten.

 (c) Uni Stuttgart
Abbildung 1: Operabilitätsgrade eines Geräteverbunds

Sind zwei Geräte oder Systeme dazu fähig, Daten auszutauschen, gelten sie als zueinander kompatibel. Hier bereits von Interoperabilität zu sprechen würde den Kern dieses Begriffs verfehlen, da dort von mehreren, prinzipiell zueinander unabhängigen Geräten die Rede ist. Auch ist zu beachten, dass nicht zwangsweise alle Geräte zueinander kompatibel gemacht werden können, zum Beispiel, wenn sich ein Marktteilnehmer nach außen hin nur geschlossen präsentiert und die Kooperation mit (bestimmten) anderen Teilnehmern verweigert.

Sind alle Teilnehmer eines Systems mit einem Akteur kompatibel, wird von einem De-facto- oder Industriestandard gesprochen. Eine solche Konstellation entsteht zum Beispiel, wenn ein Marktteilnehmer eine besonders dominante Position im System einnimmt. Dies zwingt die anderen Teilnehmer dazu, sich an diese Marktlage anzupassen, da andernfalls droht, dass sie verdrängt werden. Zwar sind in dieser Situation nun alle Geräte beziehungsweise Systeme untereinander vernetzt, jedoch mit dem entscheidenden Nachteil, dass die Kommunikation über einen Akteur stattfindet und dieser den Nachrichtenaustausch steuert. Dies verletzt die Definition der Interoperabilität in Bezug auf die eigenständige Kommunikation.

Erst, wenn alle Teilnehmer in einem System untereinander kompatibel sind und der Datenaustausch unabhängig stattfindet, kann von Interoperabilität gesprochen werden. Zentral hierfür sind die bereits eingangs erwähnten offenen Standards. Diese können aufgrund ihrer Zugänglichkeit leicht von jedem Marktteilnehmer eingesetzt werden und gewährleisten bei richtiger Implementierung die Kompatibilität all derer, die auf den selben Standard zurückgreifen. 

Einordnung in den Kontext

Das Internet der Dinge

Nach der dritten industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts markiert das Internet der Dinge nun als zweite Welle der Digitalisierung den nächsten technischen Meilenstein der Menschheitsgeschichte. Physische Objekte werden über eingebettete Systeme digital abgebildet und können fortan miteinander kommunizieren sowie Daten austauschen. [SLMN15]

Und dieses Netz wächst: 2020 bereits sollen Schätzungen zufolge rund 100 Mrd. Geräte über das Internet der Dinge miteinander verbunden sein, ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. [AnHä15] Da jedes Gerät mit einer zunehmenden Zahl an Sensoren ausgestattet werden kann, besitzt das Internet der Dinge das Potenzial, allen Netzteilnehmern eine für Menschen schwer vorstellbare Zahl an Daten zur Verfügung zu stellen. Damit sich daraus Vorteile ergeben, müssen die zur Verfügung gestellten Daten allerdings auch von jedem Gerät korrekt interpretiert werden können.

Durch Interoperabilität entstehende Vorteile

Auf Basis der Interoperabilitäts-Definition und dem Einblick in das Internet der Dinge ergibt sich bereits, dass die Interoperabilität ein Schlüsselfaktor für letzteres ist. Nur über offene und wohldefinierte Standards kann es möglich sein, dass eine solche Vielzahl an Geräten untereinander kommunizieren kann. Die semantische Interoperabilität stellt dabei den Gold-Standard dar, da erst sie eine sinnvolle Interpretation der übertragenen Daten ermöglicht.

Um die durch Interoperabilität entstehenden Vorteile genauer zu beleuchten, wird im Folgenden der Vortrag von Herrn Rentschler (Balluff GmbH) zum Thema Sensorvernetzung aus der IAS-Ringvorlesung herangezogen. [Rent17] In diesem wird auf den „IO-Link“- und „IO-Link wireless“-Standard und deren Erfolgsfaktoren eingegangen.

 (c) Uni Stuttgart
Abbildung 2: Geräteverbund aus IO-Link-Devices und IO-Link-Master

Abbildung 2 veranschaulicht die grobe Funktionsweise von IO-Link. Mehrere mit IO-Link kompatible Geräte („IO-Link-Devices“) werden über ein 3-Leiter-Sensorkabel mit einem zentralen „IO-Link-Master“ verbunden. Dieser legt die genaue Betriebsart fest und sendet die Daten über ein unterstütztes Feldbussystem weiter. IO-Link wird daher als das letzte Element eines Netzwerks eingesetzt. Damit Geräte mit IO-Link kompatibel sind, müssen sie eine standardisierte XML-Datei bereitstellen, die vom Gateway interpretiert werden kann. In dieser sind relevante Informationen, wie beispielsweise der Herstellername oder die Produkt-ID, abgespeichert. Zusammenfassend standardisiert IO-Link die Hardwareschnittstellen und ermöglicht es, dass Geräte unterschiedlicher Hersteller in das gleiche System integriert werden können. [Rent17]

Und genau darin liegt die große Stärke von IO-Link: Unternehmen setzen zunehmend auf diesen Standard, da sie dadurch nicht mehr exklusiv von einem Hersteller abhängig sind. Mehr noch sorgt die Verwendung für einen hohen Grad an Ab- und Aufwärtskompatibilität. Viele ältere Automaten unterstützen IO-Link bereits und es ist davon auszugehen, dass dies bei neueren Geräten in absehbarer Zeit ebenfalls der Fall sein wird. Dies erleichtert Systemaktualisierungen und den Austausch defekter Komponenten, zudem können aufgrund der hohen Auswahl Kosten gespart werden. Der geringere Verkabelungsaufwand erleichtert darüber hinaus die Konzeption komplexer Systeme und reduziert die Kosten weiter. [Rent17]

Die Tragweite dieser Vorteile kann sehr gut am Erfolg von IO-Link bemessen werden. So gelang IO-Link erst dann eine große Marktdurchdringung, als die Technologie standardisiert wurde. Proprietäre Vorgänger blieben dagegen erfolglos und bedienten nebst anderen Konkurrenzprodukten allenfalls Nischen, da Unternehmen ungern das Risiko eingehen, auf nur einen Hersteller zu setzen. Dieses Schema ist auch auf andere Sparten anwendbar: Bei Funksystemen in der Automatisierungstechnik existieren bisher nur proprietäre Lösungen, hier will IO-Link wireless ansetzen und als offener Standard die Fabrikautomatisierung für sich gewinnen. [Rent17] Interoperable Systeme und offene Standards kommen also allen Beteiligten zugute, auch denen, die diesen Standard mitbegründen und Lösungen dafür anbieten.

Fazit

Interoperabilität ist die Fähigkeit von Geräten oder Diensten, eigenständig miteinander kommunizieren zu können und dabei von keinem anderen Akteur abhängig zu sein. Dies ist im Internet der Dinge von zentraler Bedeutung, da erst hierdurch das Potenzial eines derart großen Netzes mit unzähligen eingebetteten Systemen voll ausgeschöpft werden kann. Interoperable Systeme schaffen jeder beteiligten Partei Vorteile und verbessern die Qualität von Diensten und Produkten. Offene Standards haben sich bereits mehrfach als Selbstläufer erwiesen und werden daher früher oder später auf allen Gebieten etabliert sein. Die Zukunftsperspektiven und Chancen der Industrie 4.0 hängen daher in hohem Maße davon ab, wie gut es Unternehmen und Kommissionen gelingen wird, in Kooperation miteinander einheitliche und praxistaugliche Standards zu definieren.

Literatur

  • [Dude18]
    Duden: https://www.duden.de/rechtschreibung/Interoperabilitaet, Bibliographisches Institut (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018)
  • [Rent17]
    M. Rentschler: Sensorvernetzung mit IO-Link und IO-Link wireless, IAS-Ringvorlesung, 16. November 2017
  • [MSH17]
    C. Manzei, L. Schleupner, R. Heinze (Hrsg.): Industrie 4.0 im internationalen Kontext, VDE Verlag, ISBN 978-3-8007-4336-0, 2017
  • [SLMN15]
    R. Stackowiak, A. Licht, V. Mantha, L. Nagode: Big Data and the Internet of Things, Apress Media, ISBN 978-1-4842-0986-8, 2015
  • [AnHä15]
    V. Andelfinger, T. Hänisch: Internet der Dinge, Springer Gabler, ISBN 978-3-658-06729-8, 2015
Zum Seitenanfang